Sonntag, 30. Juni 2013

#49

HÄTT' ICH IHN BLOSS FÜR MICH BEHALTEN

Diesen sinnlosen Schmerz den du jetzt spürst

 

 

Das Mädchen schließt die Tür auf, nimmt einen Luftzug und drückt die Klinke nach unten. Die Morgengesänge der Vögel verstummen, als die Tür hinter ihr ins Schloss fällt. Sie schließt kurz die Augen und lässt in einer Sekunde diese Nacht noch einem revue passieren, ihr Herz klopft. Es klopft aufgeregt und schreit gleichzeitig. 

"Mit diesen Haaren im Gesicht, sehe ich wieder mal gar nichts.", sie lacht.
Vorsichtig streicht er ihr jetzt die Haare aus dem Gesicht, doch er nimmt seine Hand nicht mehr zurück, sondern lässt sie in ihrem Nacken liegen. 
"Besser?"
"Besser.", flüstert sie.
"Viel besser?"
"Viel, viel, viel besser!" Fast lautlos. 
Ein Augenblick. Sich in die Augen schauen. Kuss.

Dieser Moment, wenn man sich zum ersten Mal küsst. Die erste Sekunde, in der man sich nicht atmen traut. Die zweite Sekunde, in der man nicht weiß, was man hier jetzt eigentlich gerade macht. Die dritte Sekunde, in der man innerlich lächeln muss, weil es sich so gut anfühlt. Überrascht und neugierig ist, wie denn der andere küssen mag. Endlich erfahren darf, wie die Lippen das anderen schmecken. Verzweifelt darüber, was man dann jetzt mit den eigenen Händen machen soll. Und dann der Moment, wo dir das alles egal ist, weil die Lippen aufeinander ruhen und man die Zeit völlig vergessen darf. 

Ihre Gedanken werden von einer Stimme gestört. Sie öffnet die Augen, zieht die Jacke aus, während ihre Mutter ihr erzählt, dass ER da gewesen ist. Betrunken. Völlig aufgelöst. Fünf Uhr morgens.
Wut. Wut ist es, die das Mädchen jetzt spürt. Warum konnte sie nicht ein einziges Mal ein gutes Gefühl haben? Wieso konnte nicht ein einziges Mal etwas gut laufen, ohne dass der nächste Schlag ins Gesicht auf sie wartet? Und warum fällt sie immer wieder darauf rein, glücklich zu sein?
Das Handy klingelt genau in diesem Moment, die Warnung ihrer Mutter verstummt, als das Mädchen den Hörer abnimmt. Auf der anderen Seite der Leitung ertönt eine vertraute, aber deutlich hörbar betrunkene Stimme. Wut. Wut war es wieder, dass das Mädchen spürt. Sie hat wieder mal Tage gebraucht um sich einigermaßen zu erholen. Es tut weh, an jemand anderen zu denken, jemand der sie so vorsichtig geküsst hat und sie ganz genau weiß, dass sie ihn auch wieder verletzen muss. Weil sie kein Vertrauen mehr hat. Nicht in sich und nicht in die anderen. 
Als sie ins Auto einsteigt, sitzt eine vertraute Person neben ihr. C l i v e grinst und wirft ihr vor, dass sie sich doch tatsächlich auf den Weg zu ihren Exfreund macht. Er steht im selben Zimmer, als die beiden diskutieren. Das Häufchen Elend, das dieses Mal nicht das Mädchen ist, weil sie gefühlskalt geworden war. Kalt. Erkältet.
Sie sieht ihn an. Sieht seine Tränen. Redet. Und geht wieder. 
Lässt ihn zurück. 
Ein Neuanfang. Das ist es was sie möchte.
Doch der Weg ist so schwer.
So schwer und schmerzhaft. 
Und sie hat doch so viel Angst. 


"Hier, nimm den Bleistift"
"Was soll ich damit?"
"Nimm ihn. Und jetzt breche ihn in zwei Teile."
"Nein."
"Na los, zerbrich ihn. Es ist mein Bleistift und ich will, dass du ihn zerbrichst!"
"Bist du dir sicher?" - Der Bleistift knackst bereits. - 
"Ja bin ich!"
-Er bricht ihn zuerst etwas zögerlich, dann aber bestimmt in der Hälfte durch.-
"Was ist passiert?"
"Na ich hab ihn zerbrochen."
"Und was ist jetzt mit ihm?"
"Na, er ist ... kaputt."
"Entschuldige dich bei ihm."
"Bitte?"
"Na los, entschuldige dich bei dem Bleistift!"
"Es tut mir Leid."
"Was ist jetzt mit dem Bleistift?"
"Nichts."
"Ist er noch immer kaputt?"
"Ja."
"Wenn du ihn jetzt mit Klebeband zusammenkleben würdest, wäre er dann noch immer kaputt?"
"Ja."
"Und wenn du dich jetzt noch einhundert Mal entschuldigst, wird er dann wieder ganz?"
"Nein."
"Siehst du? Wenn du etwas zerbricht, brauchst du schon mehr als ein Wunder, dass es wieder ganz wird. Da helfen keine tausend Entschuldigungen, wenn du etwas zuerst in der Mitte auseinanderbrichst!"
"Ja...aber..."
"Leg den Bleistift auf dein Nachtkästchen und entschuldige dich jeden Tag bei ihm...wenn er wieder ganz ist, kannst du zu mir zurück."
....

 

5 Kommentare:

  1. Ich kenne die Lieder von den Toten Hosen, danke aber für die Empfehlung, ich mag die Lieder auch sehr. Eignetlich mag ich das Lied auch nicht so sehr, aber ich war zu faul andere überschriften zu suchen. Aber mir ist grad glaube ich ne bessere eingefallen von den Hosen...
    Ich kann nicht atmen, keine Sekunde. Und naja, es ist eigentlich nicht zu übersehen.

    Du schaffst das mit dem Neuanfang, du bist so stark, ich bin mir sicher, dass du das schaffen kannst. UNd damit dass du gegangen bist, hast du gezeigt, dass du es kannst.

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  2. Die Hosen retten Leben. Sie retten Nächte, retten mich.

    Gestern nicht, keine Strumpfhose. Was verstehst du unter gut verheilten Narben, wenn ich fragen darf? Aber ich finde es sehr mutig von dir, dass du deine Narben zeigst, zumindest manche. Weil Leute das nicht wissen wollen. Viel eher wollen Menschen, dass es plausible erklärungen für alles gibt. Und nicht irgendwelche "schlimmen" Storys. Deshalb nehmen sie das hin, selbst dann, wenn sie was anderes vermuten.

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  3. Du bist 40 Minuten gejoggt? Das würde ich niemals schaffen xD Ich jogge immer 4-5 Minuten und muss dann erstmal ein Stück normal laufen :'D Aber cool dass du dir Laufschuhe gekauft hast! Was das laufen angeht möchte ich aber auch lieber langsam machen, hatte ja so schlimme Schmerzen im Knie und will es deswegen nicht wieder übertreiben. Ich hasse ja Sport eigentlich, grade bei Hitze! :D Aber habe wirklich Respekt dass du so viel Sport machst!
    Dann sind wir beide in musikalischer Vorfreude. Ich sehe nächstes Wochenende endlich mal Jennifer Rostock live <3

    Dein Text hat mich wirklich berührt! Wow! O_O Die Gedanken zum ersten Kuss und dann doch wieder die Enttäuschung... toller aber leider auch trauriger Text!

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  4. Aber die Narben sind nicht so groß, dass sie aus der Ferne gesehen werden können? Ich kann verstehen, dass du das nicht mutig findest, aber ich kenne genug Menschen, die sich das nicht trauen würden. Die nur noch in langen Hosen was auch immer tun würden. Und auch wenn du es nicht findest, finde ich es mutig. Mir würde ja nichtmal eine sinnvolle Lüge einfallen.

    Ich kenne diese Fragen. Wie würde wohl Person XY darauf reagieren, wenn man ihm die Wahrheit sagt? Ich glaube, das können wir nicht wissen. Ich glaube, das manche Menschen viel besser damit umgehen können, als man glaubt. Ich glaube, dass man das niht einschätzen kann. Man muss sich trauen oder es lassen.
    Fremde Menschen würden nicht fragen, diese starren. Menschen, die du kennst, wären auf jeden Fall schockiert und frage sich, warum sie nie etwas gemerkt haben.

    Oh glaube mir, du bist ein guter Mensch. Du bist einer der wenigen herzlichen, mitfühlenden und hilfsreichen Menschen, die ich je gelesen habe.
    Nichts anderes als mein Leben zu zerstören habe ich vor. Mit Lösen von allem, was mich hier noch hält. Mich Lösen von meiner Existenz.

    Ich weiß nicht, ob er sie wahrgenommen hat. Er war betrunken. Er weiß auch nicht mehr alles. Vielleicht hats das Schicksal gut mit mir gemeint und er weiß genau das Detail nicht mehr. Aber ich werde ihn sicherlich nicht fragen.

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  5. Toll geschrieben. Ist das letzte von dir? Ich folge dir :)

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