Dienstag, 28. Juni 2016

#225

ICH WOLLTE NIE MEHR ALS NUR DAS WAS MIR ZUSTEHT

jetzt will ich alles und nichts dafür hinnehmen


Das Mädchen setzt sich zu ihm auf das Sofa. Jeder sitzt in seine Ecke gepresst, die Zigaretten umklammernd. Den Kaffee so langsam es geht trinkend. Nur nicht zu Nahe kommen. Seine Maske hat ihr gegenüber keine Gültigkeit mehr. Das schien er erkannt zu haben - vielleicht hat er sie nach dem dreistündigen Fotoshooting auch einfach nur satt. Die Möglichkeit steht im Raum.
Gezielt und ohne lange zu warten fragt sie ihn aus. Fragt ihn, wie es ihm dabei geht, Menschen abzulichten. Ihre Schönheit für immer einzufrieren. Ihre Fehler aufzuzeigen, ohne es zu wollen. Menschen sehen am liebsten ihre eigenen Fehler. Konzentrieren sich darauf. Und plötzlich verliert ein Kuss seinen Reiz, wenn man ihn ablichtet. Menschen bilden sich ein hässlich zu sein, selbst dann wenn sie dem Kitsch entsprechend unter einem Rosenbusch stehen und sich tief in die Augen schauen. Der Photograph erzählt davon zerknirscht. Fast schon enttäuscht. Die beiden jungen Menschen investieren noch mehr Mut in ihr Reden und er fällt ein Urteil, als er meint, dass er mit seinen Werken nie zufrieden ist. Es noch nie war. Er spricht von Kunst. Wie gern er Kunst machen würden. Das Mädchen drückt ihre Zigarette aus, stellt die Tasse weg und steht auf.
Im großen hohen Raum, ist an einer der weißen Wände eine Fotowand angebracht mit seinen Lieblingswerken. "Das ist doch Kunst.", meint sie und zeigt auf ein Foto, das ihn selbst zeigt. Er sitzt in einem alten, schweren Stuhl und ließt ein Buch. Der Qualm seiner Zigarette schlägt wunderschöne Wellen im schwachen Licht der Glühbirne. Sein Körper vermischt sich mit der Dunkelheit. "Und das ist gut geworden. Das ist mein Lieblingsfoto von dir.", murmelt das Mädchen. 






Donnerstag, 23. Juni 2016

#224

DAG SEM NÓTT, HJARTAÐ VAR ÓRÓTT,

Þrotið þol, lamað bros

Day and night, heart was uneased. Broken will frozen smile.
 
Meine Hände zittern. Ich rauche noch eine. Ich rauche eigentlich nicht, außer wenn ich betrunken bin oder äußerst nervös und gestresst. Nachdem ich wegschnippte, öffne ich die Tür mit dem silbernen Knauf. Meine Beine machen sich schwer, als ich über die Treppen steige. Ohne Zögern. Ohne langes Grübeln. Ohne dass ich davonlaufen könnte, klingel ich an der Tür und sie wird mir geöffnet. Ein älterer Mann begrüßt mich recht freundlich. Aus meinem trockenen Hals kommt nur ein einsilbige Begrüßung. Gemeinsam gehen wir in sein Behandlungszimmer, wo ich Platz nehmem darf.
Er setzt sich mir gegenüber in einem sicheren Abstand. Ich atme durch. Sehe mich um. Betrachte das Zimmer. Es ist nichts besonderes. Weder besonders schick noch besonders nachlässig eingerichtet. Ein Zimmer eben. Mit vier Wände. Vier Ecken. Einer Zimmerpflanze. Und ein Haufen Bücher. Aber was erwatet man anderes von einem Psychotherapeuten? 

Eine Stunde später habe ich sein Zimmer verlassen. Rauche noch eine. Treffe mich mit dem entschlossenen Spieler auf einem Kaffee in der Burg. Die Sonne tut gut. Es ist noch lange nichts gut. Aber es ist auch nicht so beschissen, wie es gestern war. Als ich mir nicht sicher war, jemals wieder aufzustehen. 


 

Dienstag, 21. Juni 2016

#223

SO HELP ME, PLEASE SOMEONE COME QUICK

I think I'm loosing it


Ich habe keine Worte mehr für das, was in den letzten 20 Tagen passiert ist. Ich kann nicht erklären, was da in mir passiert. Und ja, es fühlt sich so an, als wäre es IN mir. Ich spüre es ganz deutlich in meinem Brust und Bauchraum. Ab und an sind mein Arme taub und mein Kopf fühlt sich an, wie eine leere Hülle. Ich bin ein nichts. Ich könnte mich in Luft auflösen. Immer wieder will mein Körper weinen, doch ich hindere ihn solange ich noch nüchtern bin. Ich verzehre mich danach, einfach zu jemanden ins Bett zu kriechen und mich in den Arm nehmen zu lassen. Doch da ist niemand. Zum Glück. Und wäre da jemand, ich würde ihn verscheuchen. Ich will nicht darüber reden, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. Ich kann das nicht erklären. Ich kann nur erzählen, wie ich stundenlang dasitze und einfach nichts tue. Wie ich der Zeit beim Vergehen zusehe. Wie mich die Schuld mit jeder Sekunde auffrisst. Wie ich immer mehr und mehr einfach flüchten will. Mich begraben will. Das alles zu Ende gehen lassen. Alles, alles ist anstrengend. Lachen, atmen, schlafen. Nicht, nichts macht mir noch Freude. Musik, Freunde, Pferde. Ich bin nur noch eine leere Hülle, die bald in sich zusammenfallen wird. Ist dann endlich alles vorbei? Darf ich einfach aufgeben? Darf ich endlich? 

 

Donnerstag, 2. Juni 2016

#222

SELTSAM IM NEBEL ZU WANDERN

einsam ist jeder Busch und Stein


Nachts um drei Uhr schläft diese Stadt. Zwischen den Büschen hinter unsere Wohnhaus ist es stockfinster und kein Schatten zu erkennen. Hier steh ich nun und stecke mir den Finger in den Rachen.
Einmal kotzen bitte, weil mich dieser Abend gefressen hat.
Zweimal kotzen bitte, weil der Mankei mich abserviert hat. 
Dreimal kotzen bitte, weil mein Barchef darüber mit mir reden möchte, wieviel und ob ich noch arbeiten soll.
Viermal kotzen bitte, weil mein Pferd einfach nicht gesund wird. 
Fünfmal kotzen bitte, weil der entschlossene Spieler angekrochen kommt und in meinen Wunden gräbt. 
Sechsmal kotzen bitte, weil ich es nicht ertrage dass sich meine Helden in Luft auflösen.
Siebenmal kotzen bitte, weil ich mich selbst so sehr hasse. 
Achtmal kotzen bitte, doch es kommt nur noch Magensäure aus mir raus.