Freitag, 1. März 2019

#261

EIN ZETTEL, AUF DEN ICH DEINEN NAMEN SCHREIB

gegen die Einsamkeit, gegen die Einsamkeit

 


Die Sonne knallt durch die großen Fenster. Wir haben einen direkten Blick auf die Stadt, oder eher auf die Bushaltestation unter uns. Schon wieder eine Bushaltestation. Ich nippe an meinem Kaffee und werfe ihm einen Blick zu, während ich meinen müden, ausgezerrten Körper in die Kissen der Loungemöbel sinken lassen. Meine Beine sind übereinandergeschlagen und meine langen braunen Haare fallen mir strähnenweise ins Gesicht. Ein Lächeln. Ich lächle, während ich ihn keine Sekunde aus den Augen lasse und versuche zu verstehen, was er jetzt genau ansprechen möchte. Oder wie er es ansprechen möchte. Zuerst haben wir noch gelacht. Es ist der erste sonnige Tag in diesem Jahr und ausnahmsweise sogar sowas wie warm, obwohl draußen noch der letzte Schnee und der Matsch in den Straßen sitzt. 
Vorwurf! Der entschlossene Spieler macht mir einen Vorwurf. Weil ich glücklich bin? Weil ich nicht mit ihm glücklich geworden bin? Oder will er einfach wieder zurück zu unserer Ebene finden, auf der wir die zwei einzigen, ehrlichen Menschen waren und uns so offen unsere Gefühle darlegten, als wären wir nackter als nackt. 
Ich stammle, stottere, versuche meine Worte zu finden. Doch genau das war doch das groteskte - erkennt er die Antwort auf seine Fragen nicht in meiner Unfähigkeit mich zu erklären? "Kannst du mit ihm endlich über das reden, was du denkst? Was du willst? Was du brauchst?"; fragt er mich und beugt sich dabei leicht über den Tisch zu mir rüber. Die Sonne lässt seine roten Haare aufleuchten und betont auch die grauen und weißen Härchen auf seinem Kopf und in seinem Bart, die von Mal zu Mal mehr zu werden. Der niedrige Tisch ist breit und die Couch noch breiter - mehr als reichlich Sicherheitsabstand. Und trotzdem fühlte ich mich in die Enge getrieben. Versucht er einen Samen des Zweifels in mir zu pflanzen? Will er mir einfach nur helfen, weil ihm meine traurigen Blicke und die zynischen Bemerkungen nicht entgangen sind? Mein Kopf arbeitet und meine Gedanken rasen im Kreis. Knallen gegen die Schädeldecke und bereiten mir schlagartig Kopfschmerzen. Ich drehe den Kopf zur Seite, wende meinen Blick von ihm ab und lasse ihn durch das Café schweifen. Alte Verhaltensmuster. Ausweichen, einfach ausweichen. Doch er kennt mein System und lässt nicht locker. Er fixiert mich mit seinem Blick, er bleibt völlig ruhig dabei und er hakt noch einmal nach, unterbricht mich dabei, wie ich versuche eine schwammige Antwort zu geben. Er lässt es mich ja noch nicht mal versuchen - oder kommt es mir nur so vor und ich tue ihm Unrecht, weil ich mich gerade unwohl und schuldig fühle?
In diesem Moment taucht er auf - ein Freund des entschlossenen Spielers, über den wir vor einer halben Stunde sogar gesprochen hatten. "Wenn man von der Sonne spricht.", sage ich fröhlich. Erleichterung schwang in meiner Stimme mit und ich nickte in die Richtung hinter dem entschlossenen Spieler. Sein Freund hat sich gerade an einem anderen Tisch niedergelassen. Als er mich aber bemerkt, steht er sofort wieder auf und kommt in unsere Richtung. Der entschlossene Spieler dreht sich um und sieht ihn kommen. Die beiden begrüßen sich und das Gespräch zwischen dem entschlossen Spieler und mir erstirbt. Ist für beide vergessen. Nun ja, vielleicht nicht vergessen, aber zumindest abgebrochen. Rotes X oben rechts. Der eisige Ausdruck in den blauen Augen verriet den entschlossenen Spieler. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Nun ja, ich auch nicht. Aber ich bin entkommen.