Montag, 19. März 2018

#255

YOU ARE LIKE A HURRICANE

There's calm in your eye.


Das Mädchen zieht an ihrer Zigarette und geht mit raschen Schritt um die Kurve. Ein Pärchen mit Hund kommt ihr entgegen und murmelm eine leise Begrüßung. Sie grüßt die beiden nicht zurück, denn mittlerweile ist es dunkel geworden und sie kann nicht einmal ihre beiden Gesichter erkennen. Stur bläst sie den Rauch gegen die Laufrichtung wieder aus, als sie ihn auf der Brücke erkannte und auf ihn zugeht. "Na du? Da ist aber eine große Parkpank.", begrüßt das Mädchen in einer ihm vertrauten Dreistigkeit. Der entschlossene Spieler lächelt und umarmte das Mädchen

Und da sitzen die beiden alten Freunde nun seit Stunden. Die Nacht war über ihnen hereingebrochen und das Mädchen zittert fürchterlich, während sie sich die gefühlt 20igste Zigarette anzündet. Normalerweise raucht sie nicht so viel. Meistens gar nicht. Doch diese ihr nicht ganz unangeneheme Situation macht sie nervös. Sie ist sich auch nicht sicher, macht es sie nervös, weil sie ein Treffen mit dem Rothaarigen als Unangenehm empfindet, oder weil sie es genießt, so wie früher stundenlang zu reden, zu zerreden, über zusammen Erlebtes zu lachen und das hätte-hätte-Fahrradkette Spiel zu spielen. 
"Wenn wir damals einfach nur ehrlich zueinander gewesen wären.", seufzt der entschlossene Spieler. "Das hätte nichts genützt. Erinnerst du dich nicht, wie beschissen es mir zu dieser Zeit ging? Ich wollte und konnte niemanden an mich ranlassen. Nicht einmal dich. Ich habe zwei Jahre Zeit gebraucht um dir wieder in die Augen sehen zu können.", erwidert das Mädchen streng und zieht an ihrem Glimmstängel. "Ja, aber warum konnten wir danach nicht einfach Freunde bleiben? Vielleicht wäre das ein Weg zurück gewesen?", murmelt er und nimmt einen Schluck aus seiner Bierflasche. "Wie denn? Du hattest ja kurz danach deine jetzige Freundin kennen gelernt. Und ich...", sie stockt kurz und atmet tief ein, "...ich war so verletzt, wie schnell du mich ersetzt hattest." Sie fühlt sich so dumm bei diesen Worten, denn immerhin hat sie ihn damals verlassen, nicht er sie. Trotzdem hatte irgendein Teil von ihr gehofft, er würde noch etwas länger auf sie warten. Nur ein bisschen. Das Gegenteil war der Fall. Kaum hat sie sich vor ihm versteckt, suchte er händeringend nach Zuneigung und Zärtlichkeit. Selbst bei seiner Exfreundin, die er nie wirklich geliebt hatte. Das Mädchen konnte ihm deswegen nicht Mal böse sein. "Ja, aber hätte ich..", beginnt der er neben ihr wieder. "Hätte, hätte, Fahrradkette.", unterbricht ihn das Mädchen und lächelt ihn milde an. 

Als die Kälte nicht mehr auszuhalten war, ging das ungleiche Paar in der Dunkelheit zurück zu ihrem Auto. Das Mädchen hatte mindestens schon drei Versuche angestellt, sich von ihm zu verabschieden. Doch sie merkte, er wollte nicht gehen. Wollte nicht, dass sie geht. Sein Handy klingelt. Aber er geht nicht ran. Werthers Original lutschend stehen das Mädchen und der entschlossene Spieler sich gegenüber, während er ihr versucht zu erklären, dass sie eigentlich keinen Platz mehr in seinem Leben hat. Dass sie sich nicht einfach melden kann, wann sie Lust hat. Seine Freundin würde das merken, "...und ich will nicht in alte Muster zurückfallen", stammelt er unsicher. Das Mädchen muss grinsen. "Tust du das nicht gerade?" Er sagt nichts mehr. "Pass auf dich und auf sie auf. Verschwende ihre Zeit nicht.", gibt sie ihm einen letzten Rat. "Ich war noch nie in jemanden so sehr verliebt, wie ich in dich verliebt bin." - "Du meinst warst." - "Nein, ich bin immernoch in dich verliebt." Mit seiner ernsten Miene sieht er alt aus. "Wie ging die Geschichte des entschlossenen Spielers eigenlich aus?", fragte er sie dann. Sie lächelte: "Wer sagt, dass sie bereits ein Ende gefunden hat?" Das Mädchen umarmt ihn und verabschiedet sich, als das Handy vom entschlossenen Spieler erneut klingelt. Sie steigt in ihr Auto und fährt gedankenverloren und Neil Young hörend in die Nacht davon. 

Und gegen jede Prognose, hat er ihr zuerst geschrieben. Am nächsten Morgen. 



Donnerstag, 8. März 2018

#254

YOU KNOW I'LL FIGHT MY CORNER

And that tonight I'll call ya after my blood is drowning in alcohol

 

"Ha!", lacht das Mädchen und setzt sich neben ihn hin, als er ihr den Platz anbot. "Das ist ja ein Zufall, dass wir uns hier treffen." Sie grinst schelmisch. Maske auf. Er soll bloß nicht sehen, wie sehr sie zittert. Ihre viel zu laute Stimme überspielt das. Sie reden eine Weile, dann eine ungeschickte Bewegung und sie wirft sein Biermischgetränk um. "Verdammt!", flucht sie. Der Alkohol setzt ihr schon zu. Sie eilt zur Bar und bestellt ein Bier. Kein Mischgetränk, sondern ein gutes Bier. "Sorry, ich habs nicht mit Absicht umgeworfen. Dafür bekommst du jetzt etwas ordentliches zu trinken." Ihre Augen blitzen frech auf und in seinem Gesicht zeichnet sich sofort dieser typischer Grinser ab, den er immer hat, wenn sie ihn zu ärgern versucht. Sie genießt es so unfassbar, diese alte Zeit für eine Stunde zurück zu holen. Er lächelt sie an, nimmt das Bier dankend an und kommentiert ihre Aussage mit einem "Du schaffst es echt nicht, einmal nett zu sein, ohne es mit dieser gewissen Dreistigkeit zu würzen oder?" - "Tja, du kennst mich einfach noch zu gut." Der entschlossene Spieler nickt. Sie sehen sich an. Und das Mädchen weiß, was er denkt. Er weiß auch, was sie denkt. Wenn sie sich so angesehen haben, hat es nie viel an Worte gebraucht.
Das Mädchen löst sich beschämt aus diesen Blick. 
Später verabschiedet sie sich vom entschlossenen Spieler. Er steht auf und umarmt sie.  Es hat sich wie früher angefühlt, nur dass es kein früher mehr gibt.

Das Mädchen hat dieses zufällige Treffen, das auf gar keinen Fall so zufällig war, mit jeder Sekunde genossen. Sie wusste natürlich, dass der entschlossene Spieler an diesem Abend auf genau dieser Veranstaltung sein würde. Und sie wollte ihn einfach sehen, ihm zuhören, seine Augen sehen. Wissen, ob er gealtert wäre. Einfach eine Minute mit ihm verbringen können. In letzter Zeit wird sie wieder schweigsamer. Alle Versuche mit jemanden zu reden scheitern kläglich. Niemand scheint zu sehen, wie sehr sie gegen alte Gedanken zu ankämpfen versucht. Sie redet sich selbst, das wäre gar nicht schlimm. Nein, sie braucht das, um immer weiter zu machen. Voran zu gehen. Doch tief im Innern weiß sie, dass sie einfach jemanden zum Reden haben will. Jemanden, wie den entschlossenen Spieler, der einzige der ihr je wirklich zugehört hat. In ihrem Kopf lebt zumindest diese Vorstellung darüber.

 

Donnerstag, 1. März 2018

#253

ALLES WAS MAN IM LEBEN BRAUCHT SIND EIN PAAR WEGBEGLEITER

und wenn man welche hat wird alles gleich ein wenig leichter


Der Lieblingspiefke ist schon zu lange weg. Und zu weit weg. Sieben Stunden trennen uns im Augenblick. Und auch nur für drei Wochen, danach trennen uns wieder zwei Stunden. Solange, bis er wieder Zeit hat, sie mit mir zu verbringen. Bis dahin sitze ich im Auto, fahre nachts Umwege. Unbewusst folge ich einem vertrauen Weg, bis mir plötzlich klar wird, dass er sich verändert hat. Der Weg. Und der entschlossene Spieler
Ja, ganz richtig. Er spielt wieder. Nicht wirklich er. Er spielt in meinem Kopf. Lässt mich an Dinge erinnern, von denen ich dachte, ich hätte sie längst vergessen oder zumindest verdrängt. Ich krame nach alten Email. Dort, da steht sein Name. Das waren seine Worte. Und halt, warte, das waren die Worte des Mädchen. Übelkeit steigt in mir hoch. Warum tu ich das? Warum tu ich mir selbst so weh? Warum erinnere ich mich? Sehnsüchtig checke ich immer wieder meinen Mailaccount als würde er meine Gedanken lesen können und mir jetzt schreiben. Aber das Postfach bleibt leer. Wird es immer sein. So wenig, wie dieser Blog noch gelesen wird, so wenig denkt er noch an mich. Ich freue mich für ihn, dass er sich verändert hat. Aber warum grämt es mich so, dass er nun schon seit zwei Jahren wieder in einer Beziehung ist? Ich kann mir die Frage nicht beantworten, fühle aber, dass es mir dabei scheisse geht.
Ich sehen mich nicht mal nach seiner Nähe. Nein, ich sehne mich nach seiner Schulter, wo ich mich ausheulen konnte. Ich sehne mich nach seinen offenen Ohren und seinem offenen Herzen, die all meine kleinen Sorgen ernst nahmen, nichtssagend und mich dann in den Arm nahm. Warum ich das nicht beim Lieblingspiefke machen kann? Weil er mein Freund ist, ich ihn unglaublich liebe und meine Zukunft mit ihm verbringen will. Doch der entschlossene Spieler hat mit seinen Augen in meine Seele blicken können. So gut wie er, hat mich nie jemand kennen lernen düfen. Und ich? Ich hab es irgendwann weggeworfen. Ihn mit Kälte bestraft für meine Fehler.
Alles was ich tun kann, ist es mich zur Ruhe zu betten, mein schlechtes Gewissen hinnehmen und die Zeit, die wir zusammen hatten schön zu reden. Der entschlossene Spieler war der Wegbegleiter, der vieles kaputt und neu aufgebaut hat.