Sonntag, 17. Januar 2016

#196

SIE HAT GESAGT, DASS SIE BRENNEN WIRD

doch niemand hat's gehört


Es heißt, dass man nie in Bösen auseinandergehen soll, denn man kann nie wissen, was passieren wird, nachdem man mit bösen Gedanken aufeinander auseinander gegangen ist. Daran denke ich jedes Mal, wenn ich von "zuhause" in meine Wohnung 50km entfernt fahre. Ich wünsche mir oft, dass ich viel, viel weiter weg wohnen würde. Aber manche Umstände lassen sich nicht ändern. Genausowenig, wie sich familäre Umstände ändern lassen. Wie oft habe ich schon Ratschläge gehört. So 0815 Bravo Tipps. Zusammensetzen. Über alles reden. Sich helfen lassen. Wie soll man miteinander reden, wenn man doch nicht mehr miteinander reden will, weil die Wut, ja der Hass, aufeinander so übermächtig geworden ist? Wie soll man sich gemeinsam an einen Tisch setzen, wenn man doch kein Wörtchen mehr miteinander reden will. Nicht mehr reden kann. Weil, wie gehabt...Hass und dieser Gefühlskram. 
Trotzdem tut es jedes Mal aufs Neue so unglaublich weh, wenn die Situation "zuhause" eskaliert. Wenn sie wieder da ist. Ohne ein Hallo. Ohne ein Danke. Ohne ein Bitte. Ohne Fragezeichen. Nur Rufzeichen. Nur Sofort. Nur sie, sie, sie. Alles dreht sich um sie. Selbst dann, wenn es um ihr Kind geht, dreht sich alles um sie. Und sie schreit, und schreit, und schreit. Wie kann ein Mensch so viel schreien? Wie kann ein Mensch allein, so laut schreien? Wie kann man seine Mutter weinend zurück lassen?
Es ist einfacher, sie weinend zurück lassen, weil man nie gelernt hat, sie zu umarmen. Verkrüppeltes Seelenleben. Was soll ich noch dagegen tun? Oder dafür? Ich stehe am Bahnhof. Meine Finger zittern. Nicht etwas weil es kalt und ich eine rauche - weil ich fertig bin. Weil ich bebe vor Zorn. Weil mich die Wut von innen schüttelt. Ich möchte kotzen, weil sich Ekel in mir breit macht. Ekel vor ihr, meiner Mutter und am meisten vor mir selbst. Neben mir steht eine junge Frau, kaum älter als ich. Sie wartet auf den Zug - worauf sonst? Mit ihr wartet ihre Mutter. Zusammen. Gemeinsam vergeht die Zeit viel schneller und es ist kaum mehr so kalt. Ich bemitleide mich selbst und strenge mich sehr an, damit ich mich erinnern kann, wann meine Mutter mit mir jemals auf einen Zu gewartet hat. Nein, wir waren nie so eine Familie gewesen. Aber ich habe mir seit ich denken kann, so eine Familie gewünscht. Liest das jemand? Jemand, den ich duzen kann? Denn weißt du was? Ich glaube, dass ich niemals im Leben je eine eigenen Familie gründen kann. Die Angst in mir ist so weit verbohrt. Die Angst davor, genauso so zu werden wie sie. Die Angst davor, zu versagen. 


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