Mittwoch, 6. November 2013

#85

ES IST DER TOD, DER WIE EIN STERN UNVERHOFFT VOM HIMMEL FÄLLT

und irgendwo am Horizont lautlos im Meer versinkt. 

 

 

Ein vierzehnjähriger Junge stirbt. Mitten in der Nacht. Wo wart ihr um diese Zeit? Ich war bei meinem neuen Freund und hab ihn geküsst. Oder ich bin eben vor dem Fernseher eingeschlafen. Vielleicht hing ich mit den Gedanken gerade der Vergangenheit nach, während ich seine Hand genommen habe. Ein vierzehnjähriger Junge stirbt. Völlig alleine. Im Dunkeln. Wir reden und schreiben dauernd davon, dass wir uns so alleine fühlen, obwohl tausende Menschen um uns herumschwirren, wie in einem Bienenstock. Und trotzdem nehmen wir uns das Recht, dass wir uns vor ihnen freiwillig verstecken und behaupten wir seien alleine. Noch schlimmer, wir beschuldigen sie, dass sie uns alleine lassen. Doch dieser toter Junge. Er war wirklich alleine. Zum völlig falschen Zeitpunkt. Ein vierzehnjähriger Junge stirbt. Er hatte Asthma. Er ist erstickt. Warum starb er an einen so grausigen Tod? Was war Schuld daran, dass ihn dieses Schicksal heimsuchte? Weil er mit dieser Krankheit auf die Welt kam? Weil er an diesen Tag seinen Freunden auf der Arbeit half? Weil es an diesen Tag nicht regnete? Ich schreibe davon, dass ich das Gefühl habe zu ersticken. Dass es in mir droht zu sterben. Doch weiß ich wirklich wie es ist, dazuliegen und zu wissen, wenn es sich nicht sofort beruhigt, dann ist es aus und vorbei? Ein Vierzehnjähriger Junge stirbt. Was hat er im letzten Moment gedacht? Was dachte er, als er sein Asthmagerät aus der Tasche zog? Was fühlte er, als es ihm aus den Fingern glitt und er immer panischer wurde, weil er es im Gebüsch nicht mehr wieder finden konnte. Weil es finster war. Weil es für ihn noch nie so finster gewesen ist, wie in diesen Moment. Ein vierzehnjähriger Junge stirbt. Er geht in die Knie, er kämpft und kämpft ums Überleben. Wieso gehe ich so leicht in die Knie? Wieso habe ich das Gefühl überleben zu müssen, wo ich doch gar nicht wortwörtlich um mein Überleben kämpfen muss? Ein vierzehnjähriger Junge stirbt. Was zurück bleibt sind Freunde und Familie. Sie bleiben zurück, sie hatte keine Chance ihm zu helfen, sie fühlen sich verlassen und verraten. Vielleicht zertrümmern sie Tische und Stühle und schreien in die Nacht. Ich zertrümmere nichts und ich schreie nicht, mein Schmerz kann gar nicht so groß sein, wie der seines Bruders. Ein vierzehnjähriger Junge stirbt. Er liegt am Boden. Er liegt im Schlamm. Wir suhlen uns im Selbstmitleid, beschweren uns über unser graues Leben, ohne zu sehen, dass wir freiwillig den Schwarz-Weiß Sender schauen. Wir glauben am Boden zu liegen, ohne überhaupt zu merken, dass so viele liebe Menschen uns die Hand reichen wollen. Ein vierzehnjähriger Junger stirbt. Es war keiner da, der ihm die Hand reichen hätte können. Der einen Arzt hätte anrufen könne. Der ihn retten hätte können. Und trotzdem stellen sich jetzt alle die Frage, warum sie nichts geahnt hatten. Ein vierzehnjähriger Junger stirbt. Sein Leben ist vorbei. Nach vierzehn kurzen Jahren. Er wird nie einen Beruf erlernen. Er wird nie heiraten können. Er wird nie Kinder kriegen können. Er wird niewieder etwas tun können. Ein vierzehnjähriger Junge stirbt. Zog sein kurzes Leben an ihm vorbei, als er sich schlussendlich hinlegte? An wen dachte er zum Schluss? An seine Mutter? An seinen Vater? An seinen Bruder? An ein Mädchen aus seiner Klasse? An seinen Schmerz? An Luft? Oder dachte er einfach nur "Warum ich?" Ein vierzehnjähriger Junge stirbt. Einsam und alleine, mitten in der Nacht. Was hast du zu diesem Zeitpunkt gemacht? Hast du geschlafen? Hast du geweint? Hast du dich geschnitten? Hast du gekotzt? Hast du dich selbst bemittleidet, weil du leben musst? Er musste sterben. Ein vierzehnjähriger Junge stirbt. Alles was er uns hinterlassen hat, ist Schmerz. Ein vierzehnjähriger Junge stirbt. Sein Weg ist hier zu Ende. Er liegt am Boden. Es ist eisig kalt in dieser Nacht. Seine Hand sucht noch immer verzweifelt nach dem Inhalationsgerät, dass nur wenige Zentimeter von ihm entfernt im Gras liegt und seine Aufgabe nicht erfüllt. Sein Brustkorb hebt sich noch ein letztes Mal, doch er senkt sich nicht wieder. Nie wieder. Ein letzter Gedanke, der sich in seinem Kopf festsetzt. Ein letzter Wunsch. Ein letzetr Augenblick, ehe sein verzweifelter Todeskampf vorbei ist. 
Ein vierzehnjähriger Junge stirbt. Und wenn du noch nie versucht hast einen erkalteten Körper wieder aufzuwecken, dann erzähl mir nicht davon, dass du wüsstest wie sich Schmerz anfühlt. Ich weiß es auch nicht...und ich will es gar nicht wissen.
Ein vierzehnjähriger Junge ist gestorben. Die Novermbertage werden noch grauer. Und keiner von uns weiß es zu schätzen, wie glücklich wir sein dürfen zu leben, und nicht allein sein zu müssen. 


REST IN PEACE
2. November 2013 
bitte wünscht mir kein Beileid. Der Junge wohnte zwar in meinen Ort, aber ich habe ihn nicht persönlich gekannt. Doch keine Gedanken sind bei seiner Familie und bei seinen Freunden. 

selbst die allertraurigsten...
 


 


2 Kommentare:

  1. wow... ich kann gar nicht mehr sagen nur wow, du hast so recht. danke für dieses aufrütteln. <3

    liebe.

    und ich denke auch an den jungen und seine familie..

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  2. Oh Gott, der Text ist so unbeschreiblich. Ich kann's nicht in Worte fassen. Einfach woah. Und du hast wirklich, wirklich recht.
    x, Quynh.

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