Montag, 6. April 2015

#165

I TEAR MYSELF TO SHREDS

to prove that I'm someone that I could never be

 

 

Das Mädchen hält einen Brief in ihren Händen. Sie hatte keinen Brief erwartet, zumindest keinen auf dem mit Kugelschreiber ihr Name geschrieben wurde. Sie öffnet ihn und holt eine violette Karte hervor. Ein Einladung. Eine Einladung zu einer Hochzeit. Schon wieder. Und sie erinnert sich daran, wie es vor wenigen Wochen war. 
Der entschlossene Spieler saß am Steuer ihres kleines Wagens. Sie waren auf den Weg nach Hause. Die Hochzeit seines Freundes dauerte lange und sie hatten noch einen weiten Nachhauseweg. Es war eine schöne Hochzeit. Sie war sehr lustig. Alle waren gut gelaunt. Alle redeten und scherzten miteinander. Der schönste Augenblick, den das Mädchen miterleben durfte, war jener, als das Brautpaar miteinander tanzte und der Bräutigam seine schwangere Frau ansah. Er sah ihr so tief in die Augen. Sein Gesichtsausdruck war zufrieden. Und glücklich. Ja er liebte diese Frau wirklich. Er liebte sie sogar sehr. Die Schwester der Braut hatte ein ganzes Kuchenbuffet gebacken. Alles war so schön. So Friedlich. Und das Mädchen? Das Mädchen schwärmte im Auto von dieser Hochzeit, bis ihr klar wurde, dass ihre Geschwister niemals eine so schöne Hochzeit haben würden. Dass sie niemals Teil einer so schönen Hochzeit sein wird. Dass auch das Mädchen niemals eine so schöne, friedliche Hochzeit haben wird. Der Schmerz war so groß, dass sie nicht verhindern konnte zu weinen. Verheimlichen konnte sie es vor dem entschlossenen Spieler, aber nicht verhindern. 
Und jetzt ist sie wieder auf eine Hochzeit eingeladen worden. Sie mag keine Hochzeiten. Nicht weil sie das Esse nicht mag. Oder die Kirche sie nervte. Sie vergönnte allen ihr Glück. Doch der Schmerz nach jeder Hochzeit ist so groß, dass sie sich am liebsten irgendwo im Inneren dieser Erde verkriechen möchte und aufhört ihren Atem spüren zu müssen. Die Sehnsucht nach einer heilem Familie ist so groß, weil sie weiß, dass sie es nie bekommen wird, was sie begehrt. 
Ihre Mutter reißt sie aus ihren Gedanken. "Wer hat dir da geschrieben?" - "Ach, nur eine Glückwunschkarte von einer Freundin.", lügt das Mädchen, denn sie erinnert sich auch die Worte, die ihre Mutter erst kürzlich sagte. So ganz nebenbei. "Ich denke nicht, dass ich es jemals erleben werde, dass eines meiner Kinder jemals glücklich heiraten wird"    




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