Donnerstag, 10. Dezember 2015

#187

ICH WÜRD GERN MIT DIR IN'NER ALTBAUWOHNUNG WOHN' 

 zwei Zimmer, Küche. Bad und nem kleinen Balkon


Liebster Grazer, dies ist ein Brief für dich. Ich schreibe diesesmal hier einen Brief, einer von vielen, weil ich ihn nicht mehr zerreißen kann. Keinen Post von hier würde ich je löschen, denn sonst fehlt eine Zahl, eine Erinnerung, etwas wichtiges. All das war wichtig. All das ist wichtig. All das hat mich zu dem gemacht, wer ich heute bin. Auch wenn ich nicht stolz darauf bin. Hätte ich damals, als ich dich kennen gelernt habe, was du mir einmal bedeuten würdest, ich hätte dich an die Hand genommen und niewieder losgelassen. (#23 Das hier ist war Kunst)
Ich würde gerne schreiben, dass ich dich liebe. Aber ich denke, das wäre gelogen. Ich liebe
den Grazer, den ich damals an der Bushaltestelle kennen gelernt habe. Den Grazer, der mich so leicht zum Lachen gebracht hatte. Der Grazer, der stundenlang abends mit mir telefonierte. Der Grazer, der sich nächtelang mit mir Musik anhörte und mir hunderte Links von guter und weniger guter und ganz schlechter Musik geschickt hat. Der Grazer, bei dem mein Herz einen Sprung machte, wenn er online war. Der Grazer, der seine Stadt so sehr liebt, wie keine andere und trotzdem durch halb Österreich reist. Der Grazer mit den rotbraunen Haare und den schönsten braunen Augen, die ich je gesehen habe. Der Grazer der du früher für mich warst. Jetzt bist du noch da, irgendwie. In mir ist der Grazer von damals. Oder die Sehnsucht. Sehnsucht nach genau diesem Jungen. Den Grazer, den ich liebe. Jetzt fehlt mir so viel, was mir damals wegen dir gefiel. Ich bereue so viel, was ich getan habe. Wie kann man in nicht mal drei Jahren soviele Fehler machen? So oft jemanden verletzen? Ich bereue es, dass ich damals nein gesagt habe. Ich bereue es, dass ich damals nicht um dich gekämpft habe. Ich bereue es, dass ich dir nie eine echte Chance gegeben habe. Ich bereue es, dass du mir nie eine echte Chance gegeben hast. Ich bereue es, dass ich dir die Fotos geschenkt habe, die mich an dich erinnern könnten. Ich bereue es, dass ich mir einmal so viele Mühe gegeben habe. Aber am allermeisten bereue ich es, dass ich die Grußkarte, die du mir damals nach Deutschland geschickt hast, als ich so Heimweh hatte, verloren habe. Sie liegt wohl in Deutschland. Vergessen. Ich wünschte ich hätte ein Blatt Papier mit deiner Handschrift. Ich wünschte du würdest bei mir sein. Ich wünschte du würdest mit mir in einer Wohnung leben, nicht mit ihr. Ich wünschte, wir beide hätte ein gemeinsames Leben. Aber nicht der Grazer von heute, sondern der Grazer von früher. Der keinen Fick auf Tinder und Business gab. Der Grazer, dem es egal war oben am Hügel zu kiffen. Der Grazer, der sich betrank, um mich küssen zu können, obwohl er mich für die restlichen Küsser dieser Welt versaut hat. Der Grazer, der Smileys in die Nachrichten setzte. Der Grazer, der mich nicht auf Antworten hat warten lassen. Meinen Grazer. Der gar nie meiner war. 
Vielleicht sehen wir uns nächste Woche. Ich hoffe es so sehr. Damit ich endlich einsehe, dass es diesen Grazer von früher nicht mehr gibt. Damit ich aufhören kann, mich in den Schlaf zu heulen. Damit ich aufhören kann, von einer Zukunft zu träumen, die es gar nie wirklich gab. Damit ich deine Nummer löschen kann. Damit wir endlich aus dem Leben des anderen gehen können. Und nieweder zurück kehren wollen. Damit diese (liebes)geschichte endlich ein Ende hat. 

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